Meine Beizjagderlebnisse in Holland
Als mich im Sommer 2000 bei einer kleinen Falknervorführung auf dem Campingplatz am Ellbogensee Fürstenberg ein Ehepaar nach der Veranstaltung in einem deutsch-englischen Kauderwelsch ansprach, konnte keiner ahnen, dass aus diesem ersten Kontakt eine gute Freundschaft entstehen würde.
Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie Holländer waren und der Mann seit 16 Jahren mit 2 Habichten die Beizjagd betrieb. Da ich an diesem Tag keine Zeit mehr hatte, habe ich die Familie van Dijk an einem der nächsten Tage zu mir in die Falknerei Wredenhagen eingeladen. Zwei Tage später standen Lilien und Bert auf der Burg und nach der Vorführung zeigte ich den beiden noch meine heiligen Hallen (Volierenanlagen). Um noch ein bisschen mehr über die Beizjagd in Holland zu erfahren, habe ich sie dann noch kurzerhand zum Abendbrot eingeladen und nach zwei, drei, … Gläsern Bier und einem anregenden Gesprächsabend haben sie dann noch in meinem Gästezimmer geschlafen. Als Bert mir am nächsten Morgen erzählte, dass er gern einmal einen Seeadler in der Natur sehen würde, wurde noch eine kleine Exkursion zum Seeadlerhorst unternommen. Da der Kontakt sehr angenehm war und auch die „Chemie“ stimmte, wurde ich im Herbst mit meinen Greifen zur Beize eingeladen. Bei der Frage, welche Vögel ich mitnehme, wurde mir die Auswahl von Bert leicht gemacht, denn in den Niederlanden sind als Beizvögel nur Habicht und Wanderfalke erlaubt. Also ab ging es mit den Habichten im Gepäck für ein verlängertes Wochenende nach Holland.
Nach einer verregneten und stürmischen Ankunft mit herzlicher Begrüßung wurde nicht viel Zeit verloren, und wir fuhren ins Jagdrevier im Oberseehafen Rotterdam. Im Revier angekommen, verschlug es mir den Atem, denn dieses Nordseeküstenrevier war ein einziger Schweizer Käse. Kaninchenbaue wo man hinschaute. Schnell erst einmal die Videokamera raus und zum Beweis für zu Hause mit dem Kasten einen Schwenk gefilmt. Daheim habe ich im Standbild mal die Kaninchen gezählt und trotz Sturm und starken Regens 366 Kaninchen filmen können. Mit erhöhter Pulsfrequenz wurden die Vögel besendert und wir wollten unser Glück versuchen. Bert mit dem Frettchen voran (Hund ist bei den vielen Kaninchen zwecklos), ich mit einem Habicht hinterher. Erster Bau ca. 12 Röhren, Bert schüttelt den Kopf „zu groß“ weiter, genau 1,5 m, zweiter Bau ca. 25 Röhren, Bert schüttelt den Kopf „zu groß“ weiter, usw. usw. Endlich eine Röhre, ein Eingang ein Ausgang, also Frett rein – volle Konzentration, denn die Röhre war nur 1,2 m lang. Bert faselte noch etwas von „stimmt euch in der Reihenfolge des Werfens ab, denn sehr oft springen mehrere Kaninchen“. Schon waren drei Kaninchen aus der Röhre, „Habicht frei“ und werfen war alles eins und nach 2,5 m waren die Kaninchen im nächsten Bau verschwunden.
Wir haben an diesem Tag gelernt – wenig Kaninchen öfter mal Beute – sehr viele Kaninchen wenig Beute, aber wunderschöne Flüge und 200%ig laufende Frettchen. Bert hatte immer mehrere Frettchen mit, die perfekt unterwegs waren. Nach ca. 3 Stunden Beize waren die Vögel und wir völlig durchnässt, jeder hatte „nur“ 2 Kaninchen in der Falknertasche. An diesem Wochenende war es erst einmal mit der Falknerei vorbei (Sturm machte die Jagd unmöglich). Aber ein Besuch im Falknereimuseum Valkenswaard versüßte uns das schlechte Wetter erheblich. Wie alles Schöne ging auch dieser Besuch viel zu schnell vorbei, so dass ich mich mit dem Versprechen, bald wiederzukommen, verabschieden musste.
Im nächsten Jahr waren Lilien und Bert im Spätsommer wieder bei mir zu Gast, um unsere wunderschöne Mecklenburger Landschaft zu genießen. Bei unseren langen Gesprächen am Lagerfeuer bemerkte ich, dass vieles, was für uns selbstverständlich, in Holland verboten ist (z. B. Lagerfeuer). Als ich dann noch vorschlug, am nächsten Tag Pilze zu suchen, war Bert völlig von der Rolle, denn Pilze sind in Holland geschützte Pflanzen, die man nicht der Natur entnehmen darf. Demzufolge können in den Niederlanden viele Menschen und auch mein Freund Bert nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob eine Marone oder ein Steinpilz noch essbar oder giftig sind.
Diese Gespräche stimmten mich sehr nachdenklich, denn wir als Falkner wissen alle, dass auch in Deutschland die Naturentfremdung wächst, und man am Beispiel Pilze in Holland sehen kann, dass, wenn man die Natur vor dem Menschen schützen will, dann wieder den Menschen vor der Natur schützen muss, weil er die Natur nicht mehr kennt.
An dieser Stelle möchte ich es mir nicht nehmen lassen, alle Falkner, die diese Zeilen lesen, zu bitten, mehr Öffentlichkeitsarbeit zu machen, um die Falknerei als Kulturerbe zu erhalten.
Falkner und Falknerfreunde, nutzt jede Gelegenheit, unseren Mitmenschen klar zu machen, was und wie Falknerei ist. Erklärt unseren Kindern, dass so ein Habicht leider nicht mit einer Mikrowelle und einem Schnitzel zurecht kommt, sondern ein Rohfleischfresser ist, und so ein Küken (auch wenn noch soooo niedlich), eine wichtige Atzung für unsere Greife ist, denn fressen und gefressen werden ist die Devise in der Natur, der sich jedes Lebewesen zu unterwerfen hat, wenn es auf unserem Planeten überleben will. Nur der Mensch, der fachlich korrekt über Falknerei und Greifvogelschutz aufgeklärt wird, kann nicht umhin, einzugestehen, dass unser Hobby eine der natürlichsten Jagdarten ist, die unsere Spezies betreiben können.
Nun aber wieder zum Thema Beizjagd in Holland. In der darauf folgenden Jagdsaison 2001 bekam ich einen roten Wildfangterzel und wollte die Gelegenheit nutzen, diesen Vogel in Holland zu fliegen, um zu sehen, ob er Kaninchen fängt, denn er war in einer reinen Flugwildgegend gefangen worden. Wir waren überrascht, als dieser Terzel (Fluggewicht 780 g) bereits am ersten Tag bei sehr guter Witterung 9 Kaninchen zur Strecke brachte und sie ohne jegliche Übung auf einen Balg fast immer im doppelten Kopfgriff band.
November 2002 sollte es wieder nach Holland gehen. Bert sagte mir noch, bring doch noch einen zweiten Falkner mit, und so entschloss ich mich, Peter Engel aus Löwenberg (die älteren Falkner kennen den Pfaffen mit seinem Hasenhabicht sicher noch gut) zu fragen, der dankend annahm, und so waren wir komplett und es konnte wieder losgehen. Zwei Wochen vor der Abreise kam es zu Komplikationen mit der Erteilung der holländischen Jagderlaubnis für mich, denn in Holland wurde im Januar 2002 ein neues Jagdgesetz bestätigt, wonach nur noch Greife mit geschlossenen Ringen eingeführt werden dürfen. Nun war guter Rat teuer. Kurz und gut, ich habe mich dann entschlossen, mal als Frettierer zu arbeiten, bis mir die geniale Idee kam, mit einem „Leihhabicht“ nach Holland zu fahren. Also mit Reiner Busch in Sachsen-Anhalt telefoniert, der nach kurzer Erklärung sofort einwilligte und mir seinen ersten selbstgezüchteten super eingeflogenen Terzel zur Verfügung stellte. Ab in den Harz, Vogel geholt und das Ergebnis war, 3 gut beflogene Habichte, 3 gut gelaunte Falkner, super Flüge und 26 gebeizte Kanin in 4 Jagdtagen. Es war mein schönster Falknerurlaub, den ich bisher erleben durfte.
Reiner, du hast einen top Vogel eingeflogen, vielen Dank nochmal für deine selbstlose Hilfe. Ich möchte allen Falknern noch viele schöne Beiztage und allzeit solche Freunde wie den Reiner wünschen.
Falknersheil
Marko Loerke