Fridolin, der Mäusebussard

Fridolin, der Mäusebussard

Es ist der 27.03.2013 um 23:10 Uhr. Ich sitze in der Küche und bin einerseits sehr traurig und andererseits froh. In der vergangenen Vollmondnacht habe ich meinen ältesten Greifvogel, meinen Mäusebussard Fridolin, gehen lassen müssen.

Fridolin wäre im Mai diesen Jahres 33 Jahre alt geworden. In diesem Alter ist er eine richtiger Bussard-Methusalem gewesen, denn in der Natur werden Mäusebussarde allerhöchstens 20 Jahre alt.

Ich habe im letzten Monat schon beobachtet, dass Fridolin nicht mehr richtig gefressen hat. Er hat das Futter nur noch zerrissen und herumgeworfen und dann immer weniger Nahrung zu sich genommen bis er letztendlich nichts mehr gefressen hat. Ich selber hatte das Gefühl, dass er einfach nicht mehr weiter leben wollte. Nun ist das mit den menschlichen Gefühlen natürlich immer so eine Sache. Mann möchte in der Tierhaltung keine Fehler machen und meint es oftmals zu gut mit den Tieren denn wenn so ein Vogel wie Fridolin einen Menschen fast 33 Jahre begleitet hat, ist er einem (mir!) natürlich ans Herz gewachsen. Also war die Frage für mich „macht man alles richtig?“, sprich bringe ich Fridolin zum Tierarzt und versuche ich ihn mit ärztlichen Mitteln (Vitamin- und Aufbaupräparaten usw.) am Leben zu halten oder lasse ich den Vogel in Ruhe gehen, ohne das Tier noch zu stressen? Ich habe mich dann für das Letztere entschieden. Wer mich kennt weiß, dass mir das mit Sicherheit nicht leicht gefallen ist.

Mit Fridolin hat alles angefangen. Ihn hatte ich als sogenannten Übungsvogel um mit ihm den praktischen Teil der Falknerprüfung (in der DDR war das damals noch so) abzulegen. Und ich habe am Tag der Prüfung noch ein Andenken von Fridolin bekommen, was noch heute am Daumen meiner rechten Hand gut sichtbar ist. Eine schöne Narbe, meine allererste Verletzung die ich von einem Greifvogel im Leben erhalten habe. Es sollte nicht die letzte bleiben, aber das gehört natürlich dazu. Ich höre noch heute Kurt Schultz (den damaligen Prüfungsleiter aus Grevesmühlen im schönen Mecklenburg-Vorpommern) wie er mir bei der Überreichung der Urkunde zur bestandenen Falknerprüfung mit verschmitzten Lächeln sagte „wenn du dem Vogel mehr zu fressen gegeben hättest, hätte er nicht versucht dich zu fressen“. Aber es ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen!

Nun hätte ich den Bussard nach bestandener Prüfung an einen nächsten Prüfling weiter geben können, wie es in der DDR halt brauch war, denn nach der Prüfung durften wir Falkner dann mit Genehmigung der Behörde einen Habicht aushorsten. Ich habe mich aber entschieden, dass Frido als mein persönlicher Liebling bei mir bleibt und von mir weiter geflogen und trainiert wird. Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht aber auch so manche Nerven gekostet wenn Frido mit seiner sprichwörtlichen Bussardstörigkeit mal wieder beschlossen hat auf einem Baum in der Natur zu übernachten und nicht wie es sich für einen ordentlichen Falknerbussard gehört, am Ende des Flugtrainings auf dem Handschuh zu landen. Zum Glück war Frido sehr flugfaul. Wenn ich am nächsten Tag nach im schaute, kam er immer mit einem fürchterliche Protestgeschrei angerast unter dem Motto „wird Zeit dass Du kommst Alter und hoffentlich hast Du auch eine lecker Belohnungsmaus mit“, die ich ihm natürlich gerne gab.

So gingen die Jahre ins Land bis die Deutsche Wiedervereinigung kam.

Frido wurde nun ein „Bundesadler“. Sprich, ich musste den Greifvogel nach den Gesetzten der BRD anmelden und Frido bekam einen neuen Ausweis kurz Citis genannt. Wie in jeder neuen Ehe gab es gleich noch einen schönen Aluminiumring und schwupp war Frido mit mir gemeinsam ein Wessi geworden. Ich habe es nicht bedauert den es eröffneten sich für mich neue Horizonte. Ich hatte nun die Möglichkeit mein Hobby zum Beruf und mit meinen Greifvögeln Vorführungen zu machen um anderen Menschen an meiner Leidenschaft teilhaben zu lassen.

Nun schweife ich aber wieder mal ab, daher nun wieder zurück zu Frido. Er wurde im Laufe seines Lebens immer mehr zum Pflegevater. Den wie jeder Falkner bekam auch ich regelmäßig verletzte Greifvögel oder auch junge Greife, die immer mal wieder zu früh aus dem Netz purzeln und von aufmerksamen Menschen gefunden und zu mir gebracht wurden.

Dann hieß es „wohin mit den Jungtieren?“. Man darf diese Tiere nicht mit der Hand aufziehen, da sie sich dann oft auf den Menschen prägen und nicht mehr in die Natur zurück können. Fridolin hat natürlich wie jeder ordentliche Bussardmann im Frühjahr immer Stöckchen und andere Nistmaterialien gesammelt. Da habe ich dann irgendwann einmal eine Nistplattform in die Voliere gebaut und siehe da, er hat ein wunderschönes Nest (bei Greifvögeln heißt das Horst) gebaut. Immer wenn ich in die Voliere kam, hat er mich angebalzt da er mich in Ermangelung einer schönen Bussarddame als sein Weibchen betrachtet hat. Gut, dass er bedingt durch die anatomischen Unterschiede keine Brille tragen konnte, den wenn er sein vermeintliches Weibchen mit Brille hätte sehen können …!

Naja, habe ich mir gedacht, wenn er meint … und habe ihm kurzerhand mal zwei Hühnereier ins Nest gelegt, mit dem Hintergedanken ihn als Amme zu benutzen. Das hat super geklappt und so hat Fridolin so manches Findelkind groß gezogen. Dabei war es ihm völlig egal ob sein Baby plötzlich immer größer und größer wurde und z.B. zu einem stattlichen Seeadler heran wuchs. Man nennt das glaube ich Multikulti. In der Tierwelt ist halt manches viel leichter.

So wurden wir beide immer älter und älter. Während dieser Zeit bin ich im Rahmen meiner beruflichen Laufbahn dann von Zehdenick nach MV und dann nochmal nach BW umgezogen um zuletzt im Dezember 2012 wieder in Zehdenick zu landen. Immer mit dabei Fridolin. Er hat diese Veränderungen immer gut bewältigt, da ich meine Volieren grundsätzlich gleich und für meine Greife so optimal wie möglich baue. Tja, und nun schreiben wir den 27.03.2013.

Fridolin hat sich gestern in seiner Voliere in eine ruhige Ecke zurückgezogen. Da der März dieses Jahr sehr kalt war und wir nachts sogar noch zweistellige Minusgrade hatten, habe ich ihm noch den ganzen Tag einen sonnigen Platz angeboten den er, so wie ich denke, genossen hat. Ich habe mich dann noch ein bisschen zu ihm gesetzt und unsere gemeinsame Zeit Revue passieren lassen. Am Abend hab ich ihn in seiner Transportkiste mit ins Haus genommen da es wieder Minusgrade gab. Und so ist er in der Nacht zu heute friedlich eingeschlafen.

Jeder Tierhalter weiß sicher wie schwer es ist das Tier gehen zu lassen aber ich bin froh das Fridolin keine Krankheit hatte und dass er nach meinem dafürhalten ein schönes Bussardleben hatte.

Ich werde Fridolin nie vergessen.

Marko Loerke